Prolit Promotionsstudiengang "Literaturwissenschaft"
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Pia Lobodzinski

Grenzen des Literarischen. Zum politischen Potential der Romane J.M. Coetzees

Das vorliegende Dissertationsprojekt fragt nach den politischen und ästhetischen Möglichkeitsräumen literarischer Texte sowie den Forderungen an Literatur im politischen Ausnahmezustand. Im Zentrum der Arbeit stehen die kontrovers diskutierten Romane des Literaturwissenschaftlers J.M. Coetzee, die in Südafrika unter dem Regime der Apartheid ausnahmslos unzensiert veröffentlicht und zugleich in Europa für die Darstellung ‚involvierter Außenseiterfiguren‘ mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden. Entstanden in Zeiten radikaler, staatlich organisierter Rassentrennung, verweigern Coetzees komplexe Texte jeden vereinfachenden, auf Empathie oder politischer Agitation beruhenden Ansatz. Stattdessen, so die These dieser Dissertation, zwingen seine Romane die Leser:innen über ihre narrative Struktur zur grundlegenden Reflexion der eigenen (Lese-)Haltung. Ausgangspunkt dieser These ist die in der Coetzee-Forschung unbeachtete Verknüpfung pluralisierender Verfahren postmoderner Literatur mit der historisch wie juristisch genutzten Form individueller Zeugenschaft. Im konstanten Spannungsverhältnis einer limitierenden singulären Perspektive und öffnenden Verweisen auf ein plurales Textäußeres, führen die Romane Coetzees im Akt der Lektüre selbst die annektierende Deutungsgewalt einer einzigen Perspektive vor – ohne jedoch deren individuelle Berechtigung zu negieren. Ziel der Dissertation ist es, über ein Close Reading der Romane nicht nur eine Forschungslücke im Werk Coetzees zu schließen, sondern anhand von Konzepten der Textherrschaft und Deutungshoheit ausgehend von diesen Romanen die Frage nach dem aktuellen politischen Potential literarischer Texte neu zu stellen.