Flower Power. Blossoms and Petals between Beauty, Classification, and Dominance
11.-13. May 2023, Philologicum LMU München
In Anlehnung an den vegetal turn in den Geisteswissenschaften zielt unsere Konferenz darauf ab, die literarischen, kulturellen und philosophischen Implikationen von Blumen zu untersuchen. Blumen sind weit weniger unschuldig, als Brautsträuße und Muttertagskitsch vermuten lassen. Für Alice Walker symbolisieren die kunstvollen Blumenarrangements, mit denen ihre Mutter selbst die schäbigsten Häuser zu schmücken pflegte, nicht nur Trost und Hoffnung trotz Armut, sondern auch das kreative Potenzial einer Generation Schwarzer Frauen, denen ein anderer Zugang zu Kunst, Kultur und Selbstverwirklichung verwehrt war.
Kulturell und historisch konnotiert das Blumenpflücken menschliche Macht über die Natur, aber es beschönigt auch sexuelle Gewalt, koloniale Entdeckungsphantasien und anthropozentrischen Größenwahn: In antiken Mythen werden Mädchen beim Blumenpflücken entführt und vergewaltigt; das symbolisch aufgeladene Zerbrechen von Blumen nimmt die Defloration vorweg. Dass Goethes Volksgedicht "Heidenröslein" ein Vergewaltigungsopfer mit einer zerbrochenen Rose identifiziert, wurde zuletzt im Zuge einer #MeToo-Kampagne buchstäblich angegriffen, als das Künstlerkollektiv Frankfurter Hauptschule im Sommer 2019 das Goethe-Haus in Weimar mit Toilettenpapier bewarf, um den blumigen Euphemismus anzuprangern. Auf kolonialen Expeditionen sammelten Botaniker wichtiges Pflanzenwissen, aber die in Europa unbekannten exotischen Objekte wurden auch exportiert, klassifiziert und monetarisiert; dieser imperialistische Gestus schwingt im Begriff "Pflanzenjäger" noch immer mit. Die Poesie des Symbolismus, des Impressionismus und der Modernität hat die Faszination für Orchideen, Lilien und Azaleen aufgriffen.
Doch auch heute noch sind tropische Blumen ein Statussymbol, wie der "PlantParenting"-Trend auf Social-Media-Plattformen beweist. Neobarocke, florale Buchformate - Anthologien, Florilegien, Herbarien - erfreuen sich in Zeiten der Klimakrise neuer Beliebtheit: In zeitgenössischen künstlerischen Pflanzensammlungen trifft Ordnungs- und Erklärungsbedürfnis auf subversive Kritik an der westlichen, anthropozentrischen Ausbeutung der Natur, während Stimmen aus Philosophie, Literatur- und Kulturwissenschaft danach streben, das Herbarium als geisteswissenschaftliche Textgattung etablieren, die kritischen und posthumanistischen Ansprüchen besser gerecht wird als die individualistische Monographie.
Organisation:
Qingyu Cai, Manuel Fingado, Martin Marius Kuhn, Carole Martin, Angelina Maslennikova, Hannes Mittermaier, Sophie Emilia Seidler
Mit freundlicher Unterstützung durch: Graduate Center LMU, Gartenjournal und Hallo Flora!
Plakat und Flyerdesign: Julia Hell https://julia-hell.com/