Prolit Promotionsstudiengang "Literaturwissenschaft"
print

Sprachumschaltung

Navigationspfad


Inhaltsbereich

Karin Peters

Der gespenstische Souverän: Opfer und Autorschaft im 20. Jahrhundert

Wilhelm Fink, 2013


Sakrifizielle Autorschaft ist eine Poetik, die den Paradoxien der ästhetischen Selbstbehauptung in der Moderne geschuldet ist. Schon am Ende der französischen Romantik graut es Alfred de Musset vor der Autobiographie, weil er sie als öffentliche Amputation empfindet. Roland Barthes schließlich verkündet in den 1960er Jahren, Literatur sei ein Opfer des Autors und Autorschaft ein selbstmörderisches Unterfangen. Die Literatur des 20. Jahrhunderts selbst allerdings weiß sakrifizielle Autorschaft durchaus produktiv zu wenden. Im Wettstreit mit traditionellen Modellen von Autorschaft, mit Gattungen praktizierter Subjektivität wie der Autobiographie oder mit weltliterarischen Kanontexten setzt sie den Autor als Opfer des eigenen oder des fremden Textes in Szene. Georges Bataille hat mit seiner modernen Variante des Akephalos, der den cartesianischen Schädel im Geschlecht trägt und die eigene Ratio scheinbar abgeschlagen hat, eine glänzende Metapher dafür geliefert. Denn azephalische Souveränität bedeutet bei ihm, schwache Subjektivität mit ironischer Selbstreflexivität zu paaren. Seine dionysische Poetik zeugt ein Monstrum , das von sich behaupten kann, zu sterben, und dies gleichzeitig kommentiert: moi qui meurt. Nicht nur ist darin schwache Subjektivität mit ironischer Selbstreflexivität gepaart. Der Kopflose erinnert gerade in Frankreich unweigerlich an die politische Urszene einer königslosen Moderne und die Rede vom Opferritual an deren Bezeugung. Selbst das soziale Imaginäre einer Gesellschaft post mortem regis hält also potente Metaphern für - wenn auch gespenstische - Souveränität bereit.