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Der Untergang der “atmenden Erde”: Friedrich Dürrenmatt als Autor der Großen Beschleunigung
Das Promotionsprojekt bietet eine Analyse und Interpretation des Frühwerks von Friedrich Dürrenmatt (1921-1990) vor dem Hintergrund des Konzepts der Großen Beschleunigung und der heutigen Anthropozäntheorie.
Der Beginn der Großen Beschleunigung bzw. des raschen, intensiven und globalen technologisch-wirtschaftlichen Fortschritt, der seit den 1950er Jahren eine beispiellose Auswirkung menschlicher Aktivitäten auf das Erdsystem geführt hat, wird von ErdsystemwissenschaftlerInnen als Anfangsdatum einer neuen geologischen Epoche betrachtet: das Anthropozän. Aufgrund seiner tiefgreifenden Auseinandersetzung mit Theoremen wie Atomkraft und Technikkritik, Umweltzerstörung und Überbevölkerung sowie mit dem philosophischen Paradox der Agentivität des Einzelnen zwischen ungeheurer Macht und Kontrollverlust des Menschen, wird Dürrenmatts Werk als poetische Reflexion und zugleich kulturelle Kritik dieser Zeit betrachtet.
Die Studie gliedert sich in drei Hauptteilen: Zunächst werden die ausgewählten Texten im kultur- und wissensgeschichtlichen Kontext der Großen Beschleunigung verortet. In den textanalytischen Kapiteln werden die Werke formal und thematisch untersucht, unter besonderer Berücksichtigung der verschiedenen literarischen Gattungen sowie von Dürrenmatts Reden, autobiographischen Schriften, Manuskripte und Bildwerke. Schließlich werden die Texte angesichts heutiger Entwicklungen in der Debatte diskutiert, um die Funktion der kulturellen und wissenschaftlichen Diskurse der 1950er-1960er Jahre für die Theoriebildung rund um das Anthropozän zu erarbeiten.
Die Dissertation trägt daher sowohl zur Dürrenmatt-Forschung als auch zur literaturwissenschaftlichen Anthropozän-Forschung bei, indem sie durch den innovativen Lektüreschlüssel der Großen Beschleunigung eine bislang wenig erforschte Perspektive auf Dürrenmatts Frühwerk bietet, seine Relevanz für gegenwärtige Debatten über den menschlichen Einfluss auf die Erde hervorhebt und somit zur Rekonstruktion einer poetischen und kulturellen Genealogie des Anthropozäns beiträgt.