Prolit Promotionsstudiengang "Literaturwissenschaft"
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Helen Moll

Akademischer Lebenslauf

Literarische Bergwelten. Grenz- und Bemächtigungsräume in der deutschsprachigen Prosaliteratur des langen 19. Jahrhunderts zwischen 1790 und 1910

Das Dissertationsprojekt untersucht die Bergwelten in Erzähltexten des 19. Jahrhunderts und die mit ihnen verbundenen mentalitätsgeschichtlichen und poetischen Bemächtigungs- und Domestizierungsstrategien des Menschen gegenüber dem Montanen. Letztere erstrecken sich von ersten subjektiven Ermächtigungsversuchen im Sinne von Kants Erhabenheitsbegriff (1790), bis zu den vielfältigen Strategien der praktischen Aneignung im Laufe des 19. Jahrhunderts, wie der Kolonialisierung des Gebirges durch Wissenschaft, Kulturierung und Kapitalisierung und erreichen einen relativen Endpunkt um 1910.

Berge sind seit jeher Inbegriff des Unverfügbaren der Natur, mit dem sich der Mensch konfrontiert sieht. Der Kantische Erhabenheitsbegriff, der es dem Subjekt ermöglicht, sich mental der sinnlich überfordernden Bergwelt zu bemächtigen, stellte am Ende des 18. Jahrhunderts einen ersten ‚Angriff‘ auf die bis dahin durch das Subjekt unbezwingbare Wirkmacht des Montanen dar. Infolgedessen begeben sich ganze Menschenmassen in die Berge, um praktische Domestizierungstechniken zu erproben, die aber stets an ihre Grenzen stoßen. Ort der Reflexion dieser zahlreichen Bewältigungsversuche gegenüber dem Montanen sind die literarischen und (populär-) wissenschaftlichen Texte des 19. Jahrhunderts. Darin werden Gebirge zu Kollisionszonen, in denen sich die Bemächtigungsstrategien des Menschen gegenüber der Unverfügbarkeit der Natur behaupten müssen. An diese Grundproblematik knüpfen sich zahlreiche Diskurse, etwa aus Wissenschaftstheorie und - praxis, über Ökonomie, Subjekttheorie und Wahrnehmungs- und Wirklichkeitskonzepten an, die in den Texten auf der Folie der Bergwelten verhandelt werden. In einer Analyse deutschsprachiger Schlüsseltexte der Erzählprosa des 19. Jahrhunderts von Autoren wie Tieck, Heine, Stifter, Sealsfield und anderen, soll diesem Spannungsverhältnis von Domestizierung und Unverfügbarkeit der Bergwelten auf drei Ebenen nachgespürt werden – auf Ebene der Semantisierung, der Funktionalisierung und der Poetologisierung.