Prolit Promotionsstudiengang "Literaturwissenschaft"
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Claire Schleeger

Akademischer Lebenslauf

Göttliche Komödien. Theatralität und christliche Moderne bei Rainer Maria Rilke und Bertolt Brecht

Die Auseinandersetzung mit Möglichkeiten und Grenzen des Theaters findet bei Rilke und Brecht unter dem Zeichen eines paradoxen Nachlebens theologischer Erlösungsversprechen statt. Religiöse Wissensbestände kommen hier im Gewand der Komödie. Das Projekt möchte zeigen, dass sich die beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Autoren an ähnlichen Fragen abarbeiten; in ihrer Suche nach neuen Formen und Subjektivitätsmodellen entwerfen sie in eigentümlicher Komik eine katastrophische Moderne, deren Tragik zur Hohlform geworden ist und an deren Stelle eine neue Form von Pathos tritt.
Bei Rilke steht die Auflösung christlicher Register in den Wortwitz in Spannung zu einer emphatisch proklamierten „heiligen Autorschaft“ (Martina King). Seine Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge lese ich als Schauplatz der Wiederaufführung der Konkurrenz zwischen Theater und Christentum um die bessere Katharsis und Darstellung, die sich in Rilkes Dramatik schon andeutet. Die These zu Brechts Dramatik und Lyrik wie der Hauspostille ist, ausgehend von seiner Bestimmung des epischen Theaters als „Spirituell. Zeremoniell. Rituell“, dass sich sein Schaffen als neue Liturgie beschreiben lässt, die in Rivalität mit geistlichen Übungen Fragen der Läuterung verhandelt; daraus entwickelt er seine nicht auf Einfühlung abzielende, das Gefühl dennoch ansprechende Theaterkonzeption.

Das Projekt möchte dabei u.a. folgenden Fragen nachgehen: Welche Rolle spielt der auftretende Körper im Text? Welche poetologische Bedeutung haben Begriffe wie „Szene“ oder „Gebärde“? Welchen epistemologischen Wert messen Rilke und Brecht angesichts der modernen Großstadt bzw. des Exils theatralen Verfahren zu? Wie werden christlich-mimetische Konzeptionen wie die imitatio Christi als Schreibmodelle verhandelt? In diesem Rahmen soll auch die bislang kaum beachtete Relevanz des Theaters für Rilkes Schaffen herausgearbeitet und eine genaue Bestimmung von Brechts Umschrift christlicher Paradigmen entwickelt werden.