Kira Muratova: A Cinema of Gesture
Das Dissertationsprojekt widmet sich dem fünfzigjährigen Filmschaffen der zeitgenössischen sowjetisch-ukrainischen Filmregisseurin Kira Muratova. Muratovas Filme sind bekannt für komplizierte narrative Zeit- und Raumordnungen, experimentelle Montage- und Tontechniken, verzerrte Körperbewegungen und manierierten Darstellungsstil, sprachliche Klischees und Stereotypien, Verdoppelungen der Figuren und Wiederholungen jeglicher Art. In meiner Analyse der Filmästhetik Muratovas setze ich mich mit einem der meistdiskutierten Begriffe im aktuellen interdisziplinären wissenschaftlichen Diskurs auseinander, der Geste. Als theoretische Grundlage dienen mir vor allem die Überlegungen zur Geste im Film in den Schriften Sergei Eisensteins, Vilém Flussers und Giorgio Agambens sowie die Idee des Kinos des Körpers und die Paradoxie des Sinns von Gilles Deleuze. In der postmodernen Filmästhetik Muratovas erweist sich die Geste ganz im Sinne des poststrukturalistischen Denkens als Figur der Unentscheidbarkeit – als Grenz- und Oberflächenphänomen, das zwischen Serien entsteht und sich nur in Wiederholung, Stillstellung, Abweichung oder Unstimmigkeit festhalten lässt. Nichtsdestotrotz werde ich im Kino Muratovas auch die Momente ansprechen, die das postmoderne Paradigma unterminieren, wie z.B. die Wiederkehr des im Poststrukturalismus bereits verabschiedeten Subjekts, das sich bei Muratova in einer auktorialen Instanz verkörpert. Zum anderen kommt es bei Muratova zu einer dreidimensionalen Form der Raumorganisation: zu Orten des Sammelns und des Archivierens, was sich im Gegensatz zur postmodernen rhizomatischen Flächigkeit in einem neuen System von Hierarchien und Beziehungen äußert. Mein Dissertationsprojekt zielt darauf ab, der verfremdeten Filmästhetik Kira Muratovas einen einheitlichen Zugang zu leisten sowie dem unbestimmten und zugleich überdeterminierten Begriff der Geste im Film systematisch nachzugehen.
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